Junge Frau nach mehr als 100 Jahren zum Leben erweckt
„Therese“ – Arthur Schnitzlers Roman für die Bühne bearbeitet: Solo-Schauspielerin, Live-Musiker und Experimentalfilm.
Der Live-Musiker und die Schauspielerin
© Ensemble21
Was ein wenig distanziert bei der Schilderung der Jugend von „Therese“ in Salzburg beginnt, wird bald dicht und dichter. Ob die wechselvollen Lebenslagen samt dazugehöriger Gefühle und Stimmungen der Hauptperson vor allem in Wien oder - in eher wenigen Situationen - auch die Rollen anderer Personen, die ihr nahestehen: Rita Hatzmann-Luksch vermittelt die gewaltige Textfläche in den zwei Stunden ohne Momente der Langeweile aufkommen zu lassen.
Selbst dramatisiert
Sie selbst hat Arthur Schnitzlers gleichnamigen Roman, in der Rezeption mitunter als innerer Monolog beschrieben, in eine Bühnenfassung umgearbeitet. Und macht dieses Frauenschicksal Ende des 19. Und Anfang des 20. Jahrhunderts auf der kleinen Bühne des neuen Veranstaltungsraumes im gemeinschaftlichen Wohnprojekt „Gleis 21“ im Sonnwendviertel lebendig.
Rita Hatzmann-Luksch
© Bild: Ensemble21
Eigener Weg
Die Mutter, verarmte Adelige, will die Tochter mit einem alten Adeligen verkuppeln, um die Familie nach dem Tod des Ehmanns und Vaters, einem Offizier, finanziell zu sanieren. Ihre in Zeitschriften abgedruckten schwülstigen Drei-Groschen-Romane bringen nicht allzuviel ein. Doch Therese ist schon früh trotz des Umfelds eine sanft-kämpferische Frau, die ihren Weg gehen will. Sie flüchtet nach Wien und begibt sich „in Stellung“, als Kindermädchen bei wohlhabenden Familien. Die sie immer wieder wechseln muss.
Georg O. Luksch
© Bild: Ensemble21
Nuancen lassen Gefühle erahnen
Ihr Jugendfreund, der ihr eher Freund ist, während er mehr zu wollen scheint, studiert in Wien Medizin. Doch schon in Salzburg verliebt sie sich in einen Leutnant. Und da reicht der Schauspielerin ein Blick und eine Nuance an Veränderung der Stimme um dies ins Publikum schwingen zu lassen, wenn sie von der ersten flüchtigen Begegnung mit diesem erzählt.
Dramatik
Viel intensiver, wenngleich auch nur mit minimalen Bewegungen und gedämpfter, verzweifelter Stimme, schildert Hatzmann-Luksch etwa jene Momente, als sie ihr Kind aus einer Liebschaft mit einem Künstler, der sich schon davor verflüchtigt hat, zur Welt bringt. Was soll sie tun? Zur Mutter nach Salzburg kann und will sie nicht zurück. Um das Kind als alleinstehende Frau, die angewiesen ist, andere Kinder in Diensten zu betreuen, kann sie sich nicht kümmern. So gibt sie Franz in Pflege bei einer alleinstehenden Bäuerin. Und ist nur alle zwei, drei Wochen glücklich, wenn sie ihren Sohn besuchen kann. Von dem sie sich aber dennoch zunehmend entfremdet. Bis hin zum tödlichen Drama als er ein junger Erwachsener geworden ist…
Trotz vieler erforderlicher Kürzungen aus den rund 300 Seiten des Romans, lässt das Stück Figur, Zeit und darüber hinaus so etwas wie Typisches eines Schicksals einer Frau, die praktisch in allen Lebenslagen diskriminiert wird, plastisch werden.
© Bild: Ensemble21
Kongeniale akustische Begleitung
Kongenial unterstützt und begleitet wird die Schauspielerin von Live-Musik und – vor allem -Geräuschen von Georg O. Luksch. Abgesehen von zwei Gitarren- und einigen Mund-Melodika-Einsätzen „operiert“ der Musiker inmitten eines kleinen elektro-akustischen Experimental-Tonstudios. Die spannenden Klänge und Klangexperimente drängen sich – trotz starker optischer Präsenz auf der Bühne – nie in den Vordergrund.
Filmisches Ambiente
Gleiches gilt für den im Hintergrund die ganze Zeit ablaufenden Experimentalfilm. Erich Heyduck hat Bilder vor allem aus dem Wien um die vorvorige Jahrhundertwende so verfremdet, dass sie sozusagen ein blasses Hintergrundambiente bilden – meist in der Form als handelte es sich um Negativ-Streifen oder nur Konturen von Personen, Gebäuden und Fahrzeugen.
Ohne den Film gibt es die Soloschauspielerin und die Musik – aufgenommen in einem Tonstudio – auch sozusagen als Hörbuch auf einer Doppel-CD (Infos auf der Homepage, siehe Infos unten).
© Bild: Ensemble21
INFOS: WAS? WER? WANN? WO?
Therese
Romanbearbeitung nach Arthur Schnitzler von Rita Hatzmann-Luksch
Es spielt – Therese und alle anderen Rollen: Rita Hatzmann-Luksch
Live elektroakustische Musik: Georg O. Luksch
Video im Hintergrund: Experimentalfilm von Erich Heyduck
Wann & wo?
Bis 31. Oktober 2019
im (neuen) Gleis21 Kulturraum
1100 Wien, Sonnwendviertel: Bloch-Bauer-Promenade 22
Karten
Telefon: 0677 / 634 715 33
ticket@ensemble21.at
https://kurier.at/kiku/junge-frau-nach-mehr-als-100-jahren-zum-leben-erweckt/400662353?fbclid=IwAR3UTAuQ6fMjrPs6GdGM6erwrs_naS9blY1mfESOSpxmg08doKbQkVmr00M